Kann man Glück lernen?
Diese Frage stellen sich sicher viele Menschen. Einige haben sie sogar zu ihrem Beruf gemacht: Glücksforscher. Sie gehen einer großen Emotion nach und fragen, was Glück ist und wie wir glücklicher werden können. Die meisten Aspekte des Glücks sind für Menschen mit Migräne sicher genau wie für alle anderen. Da viele Betroffene durch häufige Schmerzattacken besonders herausgefordert sind, das Positive nicht aus den Augen zu verlieren, können sie von der Glücksforschung durchaus profitieren.
Was macht uns glücklich?
Familie? Gute Beziehungen? Bildung? Geld? Gesundheit? All dies leistet einen Beitrag zu unserem Glück – und noch vieles mehr. Auch Vertrauen, Großzügigkeit und die empfundene Freiheit spielen eine wichtige Rolle. Das zeigen zumindest die Ergebnisse des „World Happiness Report“, der seit einigen Jahren im Auftrag der Vereinten Nationen regelmäßig erstellt wird. 1 Dafür untersuchen Forscher, wie es um die Lebenszufriedenheit der Menschen in 157 Ländern weltweit bestellt ist. Aktuell hält Finnland den Spitzenplatz: Dort sind die Menschen im internationalen Vergleich insgesamt am zufriedensten. Deutschland kommt immerhin auf Platz 17. Doch Glück ist subjektiv und was einen Menschen glücklich macht, ist individuell verschieden. Manche Menschen sind beim Sport glücklich, andere gehen beim Spiel eines Instrumentes auf. Einige Eltern empfinden Glück beim Anblick ihrer Kinder, für andere sind ihre Zöglinge steter Anlass zur Sorge. Was den einen im Job langweilt, kann für einen anderen Erfüllung sein. Letztlich muss jeder für sich herausfinden, was zu Glück und Zufriedenheit führt. Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten.
Migräne und Glück
Auch wenn Gesundheit ein Aspekt für Glück ist, den viele Menschen nennen, ist eine Erkrankung wie Migräne kein Grund, unglücklich zu sein. Auch Menschen mit schweren Erkrankungen bezeichnen sich nicht selten als glücklich. Es gibt sogar Menschen, die die Konfrontation mit einer Erkrankung als bereichernde Herausforderung sehen. Sie zwingt sie quasi dazu, sich mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen und den Blick für die positiven Aspekte zu schärfen
Kann man Glück trainieren?
Ein Bereich der Glücksforschung ist die Positive Psychologie. Sie befasst sich mit den positiven Aspekten des Mensch-seins, wie Glück, Optimismus, Vertrauen etc. Der Begriff wurde 1954 von dem Psychologen Abraham Maslow eingeführt und in den 1990ern von dem Psychologen Martin Seligman wieder aufgegriffen. Aus seinen Forschungsergebnissen hat Seligman das PERMA-Modell 2 abgeleitet. PERMA ist ein Akronym und besteht aus fünf Merkmalen, die ein glückliches Leben ausmachen:
1. Positive Emotions (Positive Emotionen fördern)
Ein wichtiger Faktor für unser Wohlbefinden sind Glücksgefühle. Wer immer daran denkt, was nervt oder wie schwierig das Leben ist, steckt schnell in einer Negativspirale. Wer die Welt in positivem Licht sieht und sich das Schöne im Leben bewusst macht, ist meist zufriedener. Deshalb sollte, wer glücklich werden möchte, auch an seinen Gedanken und Einstellungen arbeiten.
Wie wäre es zum Beispiel, sich regelmäßig abends gute Erfahrungen des Tages ins Gedächtnis zu rufen. Ob Sie mit Ihren Freunden oder der Familie über positive Ereignisse sprechen oder ein Tagebuch führen, ist eigentlich egal. Wenn Sie wissen, dass Sie am Abend nach guten Dingen gefragt werden, denken Sie wahrscheinlich schon im Laufe des Tages über positive Situationen nach und speichern diese im Gehirn ab. Dabei müssen diese schönen Momente nicht immer eine große Sache sein. Auch kleine Ereignisse können Ihr Leben bereichern und für mehr Zufriedenheit sorgen. Ein Spaziergang in der Natur, der Lieblingssong im Radio, das gemeinsame Essen mit Kollegen, der Duft bei Betreten eines Blumenladens. Schärfen Sie Ihre Sinne für die Schönheiten, die Sie umgeben.
Das heißt aber nicht, dass Sie ab sofort alle „dunklen“ Gefühle verbannen und alles weglächeln sollen. Es wird weiterhin Zeiten geben, in denen Sie Trauer, Ärger oder Frustration erleben; aber daneben gibt es eben auch Freude, Vergnügen und Spaß. Bei den positiven Emotionen geht es darum, uns daran zu erinnern, dass „schwarz“ nur eine Farbe auf der bunten Palette des Lebens ist.
Glück muss man nicht suchen. Wir müssen nur lernen, es zu bemerken.
2. Engagement (Stärken nutzen)
Hier meint die Positive Psychologie vor allem den „Flow“, den Menschen spüren, die in einer Aufgabe völlig aufgehen. Diesen erreichen wir, wenn wir etwas tun, das unser Können fordert, aber nicht überfordert. Sie kennen das sicher, manchmal fließt einfach alles, Sie sind ganz versunken in eine Aufgabe und Zeit spielt keine Rolle mehr.
Aber wie erreicht man diesen glücklich machenden Flow-Zustand? Dazu hilft es, die eigenen Stärken zu kennen. Viele Menschen sind ihre schärfsten Kritiker. Sie sehen vor allem, was sie nicht können. Wie bei den positiven Emotionen kann es helfen, die Perspektive zu wechseln und wertzuschätzen, was man kann oder worin man besonders gut ist.
Sie fragen sich, wie Sie das herausfinden können?
- Sprechen Sie mit Freunden. Eine Außenansicht kann helfen, die eigenen Talente klarer zu erkennen.
- Erinnern Sie sich an Momente, in denen Sie dieses Flow-Gefühl hatten? Ein Rückblick oder ein Gespräch mit den Eltern kann lang verschüttete Talente ebenfalls wieder zu Tage fördern.
- Schreiben Sie zehn Sätze auf, die mit „Ich kann gut“ beginnen. Seien Sie dabei möglichst präzise. „Ich kann gut mit Menschen umgehen“ ist recht allgemein. Präziser wäre „Ich kann Menschen gut motivieren, am Ball zu bleiben.“
- Eine andere Möglichkeit, die eigenen Stärken und Talente herauszufinden, ist der Values-in-Action-Test. Dieser wurde von Wissenschaftlern entwickelt und fragt 24 Charakterstärken ab.
Wenn Sie die eigenen Stärken kennen, können Sie diese verstärkt in Ihren Alltag bringen. Sind Sie zum Beispiel kreativ und können gut zeichnen, wäre eine Zeichenreise vielleicht eine Urlaubsidee. Oder sind Sie ein echter Teamplayer? Wie wäre es dann mit einem Segelkurs oder dem Fußballverein? Sie sind sozial besonders kompetent? Vielleicht können Sie dieses Talent in einer Selbsthilfegruppe nutzen.
3. Relationships (Gute Beziehungen pflegen)
Teil eines sozialen Netzwerks zu sein, sich auf andere verlassen zu können oder anderen zur Seite zu stehen, löst positive Gefühle in uns aus. Egal ob Familie, gute Freunde oder eine glückliche Partnerschaft – vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen sind für uns von großer Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, dass es Menschen in unserem Leben gibt, in deren Nähe wir uns wohl fühlen. Dabei scheint es nicht so bedeutend zu sein, wie viele Freunde wir haben, wichtiger ist, wie viel wir gemeinsam unternehmen. Wer also mehr Freude in sein Leben bringen möchte, sollte Zeit mit vertrauten Menschen verbringen. Vor allem in hektischen Zeiten geht uns oft die Muße verloren, mit dem Partner in Ruhe zu sprechen oder etwas mit Freunden zu erleben. Schaffen Sie deshalb kleine Oasen im Alltag, die für die Zeit zu zweit reserviert sind, oder planen Sie den nächsten Ausflug mit Freunden.
Wie wäre es, neue Menschen in das eigene Leben einzuladen? Ob Sie sich in einem Verein einen neuen Freundeskreis erschließen, in einem Chor mit anderen gemeinsam singen oder einen Buchclub gründen, es ist nie zu spät neue Freunde zu finden. Oder bestehende Beziehungen zu vertiefen.
4. Meaning (Sinn finden)
Jetzt wird’s philosophisch, denn Seligman geht davon aus, dass ein sinnerfülltes Leben zu Zufriedenheit und Glück führt. Heißt das nun, man muss den „Sinn des Lebens“ finden, um glücklich zu werden? Klingt kompliziert. Das ist damit aber nicht gemeint – obwohl es sicher nicht schadet. Um das eigene Leben glücklicher zu machen, muss es nicht immer um die großen Zusammenhänge gehen. Wenn Sie die Welt etwas grüner machen möchten und einen Garten oder Balkon bepflanzen, kann das für Sie sinnvoll sein – oder auch einem Freund beizustehen, einer älteren Dame im Bus zu helfen, einem Kind ein Buch vorzulesen, sich im Tierschutz oder bei den Pfadfindern zu engagieren. Es gibt so viele Möglichkeiten, das Leben mit mehr Sinn anzureichern, wie es Menschen gibt.
5. Achievement (Ziele erreichen)
Wer kennt es nicht, das wunderbare Gefühl, wenn wir endlich ein Ziel erreichen. Vor allem Ziele, auf die wir lange hingearbeitet haben, bringen uns ein Hochgefühl. Aber auch kleinere Ziele können uns glücklich machen. Die Hütte am Ende einer langen Wanderung, das Essen, das man gemeinsam gekocht hat, der Winterschal, den man selbst gestrickt hat etc. Ziele zu erreichen kann das Selbstwertgefühl steigern. Stecken Sie sich deshalb keine unerreichbaren Ziele. Das kann den gegenteiligen Effekt haben und zu Frust führen. Wenn Sie Ihre Stärken und Vorlieben kennen, können Sie sich im Alltag immer wieder neue Aufgaben vornehmen, die Sie fordern, aber nicht überfordern. Das hält Sie aktiv. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie nicht in Stress geraten. Nehmen Sie sich nur so viel vor, wie Sie entspannt umsetzen können.
Letztlich hängen all diese Faktoren zusammen und es klingt logisch, dass wir auf Dauer glücklicher sind, wenn wir unser Leben aktiv und sinnvoll gestalten, es mit vertrauten Menschen teilen und den Blick auf unsere Stärken und die positiven Aspekte in unserem Leben richten.
Macht die Jagd nach Glück unglücklich?
Aber Achtung: Ein übereifriges Streben nach Glück kann uns unglücklich machen. Wenn Glück als Ziel betrachtet wird, das dauerhaft Anstrengung erfordert, geht uns immer mehr Zeit verloren, in der wir glücklich sein könnten. Dann hat die Suche nach Glück einen widersprüchlichen Effekt: Sie kann unglücklich machen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Rutgers University Newark und der University of Toronto. 3
Bleiben Sie deshalb entspannt und ziehen Sie sich aus der Positiven Psychologie die Erkenntnisse, die für Sie stimmig sind und bei denen Sie sich vorstellen können, sie in Ihr Leben zu integrieren.
Referenzen:
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- Helliwell J, Layard R, & Sachs J. Sustainable Development Solutions Network. World Happiness Report 2019, www.worldhappiness.report, Datum des letzten Abrufs: 24.06.2021.
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Back to contents.
The PERMA Model: Your Scientific Theory of Happiness, www.positivepsychology.com/perma-model/, Datum des letzten Abrufs: 24.06.2021.
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Kim A, Maglio SJ. Psychon Bull Rev 2018; 25(4); 1337–1342.