BLOG Nr. 3: Migräne in der Partnerschaft
Migräne ist eine komplexe Erkrankung, die nicht nur Auswirkungen auf das eigene Leben hat, sondern auch das Umfeld beeinträchtigt – vor allem den Partner. Deshalb will ich mich heute dem Thema Migräne in der Partnerschaft widmen.
Mein Mann und ich kennen uns schon ewig. Als Kinder waren wir zusammen in der Grundschule, sind dann aber in verschiedene Schulen gewechselt und haben uns aus den Augen verloren. Wir hatten einen ähnlichen Freundeskreis und sind uns immer mal begegnet, aber gefunkt hat es erst auf der Hochzeit einer gemeinsamen Freundin. Ich war damals Anfang zwanzig und hatte schon häufig Migräneattacken, aber ich wusste noch nicht, dass meine Migräne chronisch ist.
Aller Anfang ist ..., na ja, so schwer war es nicht
Die Anfangsphase unserer Beziehung war nicht immer einfach. Man kennt sich noch nicht so gut und ist auch etwas unsicher ... Bei den plötzlichen Absagen wegen meiner Schmerzattacken war Peter schon manchmal unsicher, ob ich vielleicht einfach keine Lust auf ihn habe. Ich habe aber von Anfang an mit offenen Karten gespielt und immer ehrlich gesagt, wenn ich auf etwas keine Lust hatte. So wusste er genau, wenn ich sage, es ist Migräne, dann ist das keine Ausrede. Dieses Vorurteil hält sich ja leider hartnäckig. Aber das war bei uns schnell ausgeräumt.
Ich könnte jetzt mehrere Seiten mit einer kitschigen Lovestory füllen, aber ich will mich auf das Wesentliche beschränken.
Dass wir von Anfang an offen über unsere Bedürfnisse gesprochen haben und auch herausfordernde Gefühle wie Unsicherheit oder Frust nicht verborgen haben, hat uns viel geholfen. Es war nicht alles in rosa Watte gepackt und mein Mann war vielleicht auch mal von meiner Migräne genervt. Aber er hat mir nie einen Vorwurf gemacht und mich immer bestärkt. Seine Einstellung zu meiner Erkrankung war ein wichtiger Punkt, warum ich recht schnell wusste, mit diesem Mann kann ich mein Leben teilen. Wir haben dann nach fünf Jahren Beziehung geheiratet und wollten eine Familie gründen.
Aus zwei werden drei
Ich wusste, dass die Migräne kein Hinderungsgrund für eine Schwangerschaft ist, aber ich hatte dennoch Angst. Ich hatte nach meiner Diagnose ja eine Weile versucht, ohne Schmerzmittel auszukommen, aber mittlerweile war ich auf meine Medikamente angewiesen. Jetzt konnte ich mir kaum vorstellen, wie ich eine Schwangerschaft ohne Schmerzmittel schaffen sollte. Auf Empfehlung meiner Neurologin habe ich ein Tagebuch begonnen und alles aufgeschrieben, was mir bei einer Migräneattacke guttut. Außerdem habe ich einige Entspannungsübungen gelernt und begann zu meditieren. Mein gesammeltes Wissen hat mir dann bei meinen Attacken in der Schwangerschaft geholfen. Es waren zum Glück auch nicht so viele.
Nachdem unsere Tochter geboren war, schlug meine Migräne allerdings wieder richtig zu. Da ist es oft passiert, dass mein Mann mit vielen Aufgaben alleine dastand. Ich konnte unsere kleine Lisa kaum versorgen und an Arbeiten gehen war überhaupt nicht zu denken. Irgendwann kam auch Peter an seine Grenzen. Vieles konnten meine und seine Eltern abfangen, aber wir haben uns trotzdem professionelle Hilfe geholt. Ich muss zugeben, das war nicht einfach. Irgendwie fühlte ich mich wie eine Versagerin. Aber ich kann ja nichts für meine Migräne und es bringt nichts, mich wegen ihr schuldig zu fühlen. Wir haben uns das lange überlegt und schließlich einen Beratungstermin gemacht. Der kann ja erst mal nicht schaden. Die Beratungsstelle hat uns dann auch eine Haushaltshilfe vermittelt.
Wir lassen Fünfe auch mal grade sein
Mittlerweile geht es mir viel besser. Ich habe eine Prophylaxetherapie begonnen, die mir wirklich hilft. Jetzt habe ich weniger Migränetage im Monat und wir sind schon lange nicht mehr auf die professionelle Unterstützung angewiesen. Damit unser Alltag bei einer Migräneattacke nicht aus dem Ruder läuft, haben wir vorgesorgt: Wir haben ein gutes soziales Netzwerk und einige Ausweichlösungen für den Notfall. Wenn ich eine Migräneattacke habe, kann vieles auch einfach liegen bleiben. Die Bügelwäsche läuft nicht weg und der Großeinkauf kann auch meist warten. Wir sind in unserem Alltag recht gut organisiert und wir stressen uns einfach nicht, wenn mal etwas verschoben werden muss. Es gibt wirklich wenige Dinge, die nicht liegen bleiben können. Mein früherer Perfektionismus ist einem gesunden Pragmatismus gewichen.
Freiräume für dich, Freiräume für mich
Es hat eine Weile gedauert, aber nachdem die Haushaltshilfe nicht mehr kam, hat mein Mann nach einer Weile gesagt, dass er manchmal etwas Zeit für sich braucht. Er kann nicht immer abrufbereit sein, wenn es mir schlecht geht. Das klang erst mal krass, aber wir haben miteinander gesprochen und ich habe verstanden, dass er Zeit zum Abschalten und Auftanken braucht. Genau wie ich. Er hat jetzt jede Woche einen freien Abend. Meist trifft es sich mit seinen Kumpels zum Fußball spielen oder auch mal, um Fußball zu schauen. Sollte ich an diesem Abend eine Schmerzattacke haben, stehen meine Eltern bereit. So wissen wir beide, dass Lisa und ich nicht alleine sind und Hilfe haben.
Es war für Peter nicht einfach, den Abend dann trotzdem frei zu machen. Er hatte bei meinen ersten Migräneattacken an seinem freien Abend ein total schlechtes Gewissen und kam schnell wieder zurück. Aber als er gesehen hat, dass meine Eltern das im Griff haben und ich damit klar komme, konnte er sich diesen Freiraum nehmen. Ich habe ja auch meine freien Abende, an denen ich mit meinen Mädels etwas unternehme. Um zu verhindern, dass sich jemand überfordert fühlt und auch, um Kraft zu tanken und Anspannung abzubauen, ist es einfach wichtig, dass sich beide Partner ab und zu eine Auszeit gönnen. Auch voneinander. Das mag nicht für alle gelten, aber für uns ist das gut.
Mein Fazit
Wie man in einer Partnerschaft mit Migräne umgeht, dafür gibt es kein Patentrezept. Ich empfehle, möglichst viel Normalität im Alltag zu bewahren und Zeit für gemeinsame Aktivitäten einzuplanen. Auch Raum für Zweisamkeit ist wichtig. Gemeinsam verbrachte Zeit kann zusammenschweißen, Anspannungen abbauen und neue Kräfte freisetzen.
Es kann auch hilfreich sein, sich zu Gesprächen zu verabreden, zum Beispiel zu einem Spaziergang, bei dem man sich ungestört unterhalten kann. In entspannter Atmosphäre und ohne Zeitdruck ist es leichter, auch mal schwierige Themen anzusprechen. Peter und ich verabreden uns regelmäßig zu unserem „Walk&Talk“. Dabei können wir alles besprechen, nichts ist tabu. Das tut uns richtig gut.
Ich denke, viele Dinge belasten eine Partnerschaft vor allem, wenn man nicht offen redet. Wenn ich offen über meine Situation, meine Bedürfnisse und über Wünsche und Sorgen spreche, kann mein Mann dazu Stellung beziehen. Er weiß dann, was mit mir los ist. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Mein Mann sagt, wenn er an Grenzen stößt und gemeinsam finden wir eigentlich immer eine Lösung. Gegenseitiges Verständnis und ein liebevoller Umgang sind einfach wichtig, um die alltäglichen Aufgaben gemeinsam zu meistern.
Ich hoffe, ich konnte euch mit meiner Geschichte ein paar hilfreiche Tipps geben.